Glück ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.

So zu lesen in zahllosen Poesie-Alben, Freunde-Büchern und Aphorismen-Sammlungen. Überhaupt mangelt es nicht an Glücksliteratur. Eine regelrechte Welle an Ratgebern überschwemmte in den 2010er Jahren den Buchmarkt. Das Buch von François Lelord wurde auch deshalb zum Bestseller, weil es – anders als die meisten – nicht behauptete, man müsse sich nur genug anstrengen, dann würde man auch zum Schmied seines eigenen Glückes. Der Erzähler schaut als eine Art Forrest Gump mit einer verfremdenden Distanz auf sein Untersuchungsobjekt, was wohltuend unpädagogisch und oft überraschend amüsant ist. Unterhalten ohne zu belehren könnte ja auch ein Leitsatz des MiT sein, und so verwundert es nicht, dass dieser Stoff seinen Weg nach Sachsen fand.

Hectors Reise Freiberg

Glück steckt im Detail.              

Hectors Freund Édouard, der Welt- und Weinkenner, bestellt (weißen) Chardonnay, erhält roten Wein, ohne sich daran zu stören und schüttet diesen in sich hinein, wie ein Marathonläufer isotonische Getränke zu sich nimmt. Witzig. / Das Schuhwerk von Hector zeichnet seine Entwicklung nach: Die ausgetretenen Psychiater-Schuhe werden erst durch Entdecker-Wanderschuhe ersetzt und später von coolen weißen Großstadtsneakern abgelöst. Madame Irina und der Mönch, beide in höheren Sphären zu Hause, stehen barfuß und irgendwie geerdet auf der Bühne. / Ein Bett ist ein Sofa ist eine Behandlungsliege ist ein Auto. Gutes Theater macht aus wenig mehr.

Hectors Reise in Freiberg
Hectors Reise Freiberg 6

Glück ist Mut zur eigenen Perspektive.

Dorothee Hollender, die seit der Spielzeit 22/23 die künstlerische Leitung der Abteilung Schauspiel am MiT verantwortet, schrieb die Bühnenfassung für die Theater-Uraufführung im Oktober 23 in Döbeln, die nun in auch am Freiberger Haus Premiere feierte. Das Stück bleibt einerseits nah an der Roman-Vorlage, erzeugt Komik aber nicht durch das Erzählen, sondern die Handlung selbst.

Glück ist, wandelbare Schauspieler zu haben.

Wir begleiten Hector auf seiner Glücks-Forschungsreise einmal um die Welt. In Paris lernen wir seine Patienten kennen, später eine chinesische Escort-Dame, einen tibetischen Mönch, einen Drogenbaron, einen Neurologie-Professor, alte und neue Lieben. Dazu Kellnerinnen und Flughafenpersonal, Banditen und Krankenschwestern. Alle verkörpert von gerade mal sieben Schauspielern, plus zwei Statisten (mit Sprechrolle!) Und dem Star des Abends, Moritz Winkler, der Hectors Sohn und Hector als Kind darstellt.

Glück ist groß und rund.

Zumindest, was das Bühnenbild betrifft. Zwei verschiebbare Riesenwände, die zusammengestellt eine kreisförmige Aussparung haben und allerlei Funktionen und Interpretationen zulassen: Glück ist perfekt wie ein vollkommener Kreis, wie die Erde oder der Mond. Restaurant- und Flugzeugfenster erlauben Ein- und Aussichten. Auch als MRT-Bildschirm und Parkbank liefert die visuelle Raumgestaltung überraschende Perspektiven.

Hectors Reise Freiberg

Glück ist, das MiT vor Ort zu haben.

Wer einen Abend voller Emotionen und Humor verbringen möchte, kommt an Hectors Suche nach dem Glück nicht vorbei. Am besten nimmt man noch jemanden mit. Denn:

Glück ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.

Fotos: Detlev Müller, Mittelsächsisches Theater