Modern und kurzweilig! Das trifft es wunderbar. Aber irgendwie auch nicht, denn der Abend lässt sich nie und nimmer mit zwei Worten beschreiben. Ein Strudel aus Ohrwürmern, Situationskomik, brillanten Sängern und genialer Regie riss die Zuschauer mit sich fort. Hinein in eine Art Wimmelbild, auf dem dicht gedrängt Pointe an Pointe lauerte. Barbara Schöne (Regie) zog wirklich alle Register, um die zweieinhalb Stunden reine Spielzeit mit Spaß und klugen Zitaten zu füllen.

Die üppige Fülle wurde klug gerahmt von einem minimalistischen Bühnenbild und abstrahierten Übertiteln. Jeannine Cleemen, zuständig für die Ausstattung, ist unter anderem studierte Architektin und spielte virtuos mit reduzierten Formen und Räumen. Und mit symbiotischen Kostümen, die mühelos die barocken Vorlagen ins Heute holten und jeder Figur mehr Tiefe verliehen als in der Commedia dell’arte ursprünglich angelegt.

Der Running Gag des Abends war die ausufernde Wanderung von Geldscheinen durch zahlreiche Hände. Als Bild funktioniert das natürlich immer, denn Geld regiert nun mal die Welt. Allerdings verkürzte es auch die reinen Instrumentalabschnitte, weil die Zuschauer-Augen immer beschäftigt waren.

Der Barbier von Sevilla Freiberg

Die Handlung ist schnell erzählt: Der schon etwas in die Jahre gekommene Apotheker der Stadt, Dr. Bartolo, (Frank Blees) beherbergt sein pubertierendes Mündel Rosina (Lindsay Funchal) und will es aus monetären Gründen selbst ehelichen. Rosinas Herz gehört jedoch dem Grafen Almaviva (Inkyu Park), der sich in verschiedenen Verkleidungen (Student, Soldat, Musiklehrer) seiner Angebeteten nähert. Die hierfür notwendige Kommunikation läuft über den Friseur der Stadt, Figaro, (Beomseok Choi), der die Strippen und das Geld in seine Taschen zieht. Für’s Erste siegt die junge Liebe, doch wissen wir aus Le nozze di Figaro von Mozart, dass eine Hochzeit nicht zwangsläufig ewig währendes Glück bedeutet.

Der Barbier von Sevilla Freiberg

Rossinis Oper feierte 1816 Premiere, also 30 Jahre nach Mozarts Figaro, und ist damit ein Prequel nach der literarischen Vorlage von Beaumarchais.

Es ist unmöglich, an dieser Stelle den Ideenreichtum der Aufführung auch nur annähernd wiederzugeben. Deshalb sollen ein paar Schlaglichter als Appetizer dienen.

Rosina. Während der Graf unter ihrem Fenster sich im Minnesang verausgabt, zappelt sie mit Feuerzeug und Zigarette auf ihrem Balkon herum. Lindsay Funchal gibt die jugendliche Göre zwischen anbetungswürdiger Schönheit und ADHS-Rebellin mit so viel Spielfreude und stimmlicher Brillanz, dass es eine wahre Freude ist.

Almaviva. Dass Inkyu Park singen kann, ist dem Freiberger Publikum bekannt. Als Graf darf er auch schauspielerisch glänzen. Ob fernöstlicher Diktator oder torkelnder Soldat – die Lacher sind auf seiner Seite. Besonders witzig: Seine Lang Lang – Interpretation als Musiklehrer.

Figaro. Im Matador-Anzug mit Rosenprint wirbelt Beomseok Choi über die Bühne. Er dirigiert das Bühnenchaos ohne seine stimmliche Präsenz voll auszuspielen. Während er als Rigoletto seine Rolle in der Dominanz suchte, ist er als Barbier von Sevilla Teil eines Teams. 

Interessant, dass die aus vornehmlich männlichem Personal bestehende Oper sehr weiblich inszeniert war. Alles spielte in einer Barbiewelt aus Plüsch und Pink. Mit rosa Hund und Zuckerwatte und üppigen Bauschewolken. 

Auch die Rolle des (stummen) Dieners Ambrogio war mit Stefanie Metzler weiblich besetzt. Zwischen Dadaismus und Slapstick in DDR-Hausschuhen gehörte sie zu den unendlich vielen gelungenen Details des Abends.

Bei so viel Augenschmaus auf der Bühne, vergisst man leicht die Arbeit im Orchestergraben. Attilio Tomasello fügte die musikalischen Puzzleteile zu einem harmonischen Ganzen. Denn (um Judica Semler auf der Premierenfeier zu zitieren): Ohne die Musik ist alles nichts!

Rossini hätte es gefallen.

Fotos: Mittelsächsisches Theater / Detlev Müller