Kennen Sie das? Sie haben ein Theaterabo aber nicht die geringste Lust hinzugehen? Und dann rafft man sich doch irgenwie auf und WIRD ÜBERRASCHT!
Am 10. Februar feierte das Stück Mameloschn (= jiddisch für Muttersprache) im Freiberger Theater eine beeindruckende Premiere. Neben Natalie Heiß in der Rolle der Enkeltochter Rahel gaben sich zwei Gastschauspielerinnen die Ehre: Andrea Seitz als Großmutter Lin und Sophie Lüpfert als Mutter Clara. Auch das Duo Regie / Bühnenbild war zugekauft, was sich als echter Glücksgriff herausstellte. Petra Ratiu (Regie) und Christina Milea (Bühne und Kostüme) tauchten den Abend in symbolschwangere Mystik und schufen einen fein gewebten Assoziationsraum für die Interaktionen der drei Schauspielerinnen.
Jüdisches Leben in drei Generationen, KZ, Kommunismus und der heutige Umgang mit Israel – das alles klang in der Vorankündigung des Stückes nicht besonders einladend. Als Zuschauer bezahlt man den Theaterabend ja nicht nur mit Geld, sondern auch mit Lebenszeit. Und da kann man schon mal wankelmütig werden.
Umso beeindruckender gestaltete sich der Abend dann tatsächlich: Zwischen stacheligen Kakteen und/oder hängenden Wurzeln verhandelten die drei großartigen Schauspielerinnen Mutter-Tochter-Bindungen quer durch die Generationen. Das Bühnenbild erzählte immer mit: Mutter Clara pflegte mit dem Staubwedel die Wurzeln der Familie, Großmutter Lin schob die Kaktusstacheln zu nah ans Sofa, Tochter Rahel agierte in einem stilisierten Kaktus, der irgendwie auch als Kokon und Telefonzelle durchging.
Zum Schluss stirbt die Großmutter, die Enkeltochter zieht hinaus in die Welt und die Mutter setzt die Puzzleteile der Familiengeschichte wortwörtlich zusammen und findet ihren Frieden.
Symbolisch steht der Kaktus ja für Einengung und Ausdehnung, in der Homöopathie ist er eine wirkungsvolle Arznei bei Herzbeschwerden. Und eigentlich ging es am Samstagabend genau um diese Themen: Um Nähe und Abstand zwischen Müttern und Töchtern und um Herzensangelegenheiten. Alles garniert mit einer Prise jüdischem Humor.
Wenn Sie also etwas Geld und Lebenszeit übrig haben, schenken Sie beides dem Stück Muttersprache Mameloschn.
Und gießen Sie ab und zu Ihren Kaktus!
Fotos: Mittelsächsisches Theater