Marie Wolff als kleiner Fisch und Milon Goetz als Anglerfisch Gunnar, Foto: Elke Hussel

Freiberg. Theater für die Jüngsten ist die hohe Schule des Schauspiels. Kinder sind keine Abonnenten, die aus Respekt still sitzen. Sie reagieren sofort. Binnen weniger Minuten entscheiden sie: Begeistert eintauchen oder gelangweilt abdriften. Und im Idealfall sollten sich die Begleitpersonen ebenfalls gut unterhalten fühlen.

Kindertheater ist also das Salz im Meer oder die Perle in der Auster. Genau hier setzt „Flunkeln im Dunkeln“ an. Wir befinden uns in der lichtlosen Tiefsee, Heimat von Gunnar, dem Anglerfisch. Er trägt den stolzen Namen eines nordischen Kämpfers, doch eigentlich ist er gar kein Held. Viel lieber trickst und flunkert er und lockt sein Futter direkt vor seine Laterne. Doch Gunnar fehlt vor allem eines: Freunde, mit denen er im Schwarm schwimmen kann.

In seiner Sehnsucht nach einer anderen Welt singt er zur bekannten Disney-Melodie der kleinen Meerjungfrau Arielle. Schauspieler Milon Goetz macht das charmant und gleichzeitig komisch und führt das Publikum mitten ins Spannungsfeld zwischen oben (Licht und Wahrheit) und unten (Meerestiefe, Dunkelheit, Täuschung). Dass seine Laterne immer dann leuchtet, wenn er lügt, bringt ihn in Schwierigkeiten. Schließlich ist es unhöflich, jemanden im Dunkeln schwimmen zu lassen – aber darf man deshalb flunkern?

Die Krake Enrico, gespielt von Marie Wolff, sieht das entspannter. Sie flunkert sich durchs Leben, nennt es Tarnen, und verteidigt ihre Strategie lautstark. Enrico – der Name bedeutet „Herrscher des Hauses“ – ist mit acht Armen der Inbegriff gewundener Geschmeidigkeit. Aber wenn es brenzlig wird, krakeelt er den Rocksong „Eye of the Tiger“ wie eine Rüstung vor sich her. Die bekannte Hymne der Kämpfer verwandelt sich hier in ein Tentakel-Kabarett, witzig adaptiert und kindgerecht zugespitzt. 

Die beiden Schauspieler halten fünfzig Minuten lang die Konzentration der Kinder in ihren Händen. Mal lacht das Publikum, mal quietscht es vor Vergnügen, mal greift es lautstark ins Geschehen ein. Fünfjährige aus Frankenberg und Elfjährige aus Brand lassen sich begeistert ins Meer ziehen. Neben Gunnar und Enrico treiben noch ein kleiner Fisch und ein Hai (beide Marie Wolff) durchs Wasser. Und jede Menge Plastikzeug taucht auf: Schwimmringe, Scheren, Taucherbrillen, Kübel und eine batteriebetriebene Laternenlampe am Stab, wie man sie vom Martinsumzug kennt.

Gerade diese Lampe bekommt einen großen Auftritt, wenn Anglerfisch und Krake „Hase und Igel“ spielen. Überhaupt ist das Stück gespickt mit Zitaten und Anspielungen, die Kinder behutsam in die Theaterwelt einführen – und Erwachsene zum Schmunzeln bringen. Ausstattung (Susanne Cholet) und Lichtregie zaubern eine fantasievolle Zwischenwelt, in der große und kleine Fragen verhandelt werden. Der Regisseurin Katharina Landsberg gelingt eine funktionierende Mischung aus bester Unterhaltung und wohl dosierten Denkanstößen.

„Flunkeln im Dunkeln“ funktioniert für alle ab fünf Jahren. Es ist Kindertheater im besten Sinne: Es gibt Würze, prägt den Geschmack fürs Leben, hält die kulturelle Strömung im Gleichgewicht. Eben wie Salz im Meer. Und es ist zugleich kein pompöses Drama, sondern eine poetische Parabel: subtil, tiefgründig, überraschend glänzend. Die Perle in der Auster. Und wer einmal Gunnar und Enrico begegnet ist, weiß: Wenn es finster wird, leuchtet Freundschaft stärker als jedes Flunkern. 

Weitere Vorstellungen in Freiberg: am 20.09., 09.10., 28.11., zu Silvester 2025 und auch im nächsten Jahr.

Captain Hook und seine Crew

Anglerfisch und Krake am Beginn ihrer Freundschaft, Foto: MiT/Detlev Müller

Schlussapplaus

Zum Schlussapplaus gab’s entspanntes Lächeln im Publikum und auf der Bühne, Foto: Elke Hussel