Erin Morley als Olympia in Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach, Bild: Marty Sohl/MET Opera

Barcarole unterm Wasserturm

Wer noch keine Pläne für das Wochenende nach dem 3. Oktober hat, könnte einen Kulturtrip nach New York City erwägen. Direktflug Prag – NYC mit British Airways, hübsches Hotel mit Aussicht auf den Central Park und nachmittags in die MET. „Les Contes D’Hoffmann“ von Jacques Offenbach mit dem französischen Star-Tenor Benjamin Bernheim stehen auf dem Spielplan.

Oberkellner Leopold liebt die Wirtin Josepha

Szene aus Hoffmanns Erzählungen, Foto: Ken Howard / MET Opera 

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann hinterließ eine Reihe schaurig-schöner Novellen, die elegant zwischen Realität und Phantastik hin und herschwingen. Offenbach erschuf daraus einen faszinierenden Reigen von Frauenporträts: Olympia, Antonia, Giulietta, Stella und die Muse entführen ihren Erzähler und das Publikum ins Reich des Bodenlosen. So verwundert es nicht, dass eine der berühmtesten Opernarien überhaupt die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen ist. Sie eröffnet den Giulietta-Akt in Venedig. Dabei ist die Barcarole eigentlich das Lied der Gondolieri. Sie klingt, als säße man in einer Gondel, die sacht (und im Sechs-Achtel-Takt) auf- und ab schaukelt. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, sollte man sich vorsichtig bewegen. Auch melodisch geht es tippeltappeltur in kleinsten Schritten in die Höhe. Dort öffnet sich das Herz und die Realität verblasst ohne Vorwarnung.

Die Steckdose aus dem Figaro

Vasilisa Berzhanskaya, Benjamin Bernheim und Clémentine Margaine in Hoffmanns Erzählungen, Foto: Karen Almond/Met Opera

Auf festem Boden, allerdings auf einer Halbinsel zwischen Hudson und East River, ist die Metropolitan Opera (MET) gelegen. Ihr Ensemble existiert seit den 1880er-Jahren. Die Spielstätte im Lincoln Center fasst 3900 Besucher und wird von einem hunderte Kilogramm schweren Bühnenvorhang der deutschen Firma Gerriets geschmückt. Die MET steht nicht nur für herausragende Opernproduktionen mit Starbesetzungen in allen Sparten, sondern schon immer auch für Modernität und avantgardistischen Einsatz technischer Möglichkeiten. Schon 1910 gab es eine erste Rundfunk-Live-Übertragung der „Cavalleria Rusticana“ mit Enrico Caruso. Damals konnte man dem Startenor im Umkreis von 20 Kilometern mit speziellen Kopfhörern lauschen, heute schickt die MET ausgewählte Inszenierungen per Live-Streaming in die ganze Welt.

Dr. Siedler und Ottilie

Die Metropolitan Opera in NewYork City, Foto: Caroline Digonis/ Met Opera

Seit 2007 organisiert Clasart Classic Live-Übertragungen in deutschsprachige Kinosäle. Was mit fünf Kinos in Deutschland und Österreich begann, hat sich zu einer Erfolgsgeschichte mit 220 teilnehmenden Kinos und bislang 120 Vorstellungen mit insgesamt 2,5 Millionen Zuschauern gemausert.Seit der Saison 2012/2013 ist auch Freiberg dabei, was der Vision von Thomas Erler, dem langjährigen Kinopolis-Chef, zu verdanken ist. Als Schauspieler und Cineast und Sohn eines Opernsängers und einer Balletttänzerin, war und ist es ihm ein Herzenswunsch, das Beste aus den Welten des Kinos und der Oper miteinander zu verbinden. Und so startete das Live-Schalte-Abenteuer am 13. Oktober 2012 mit Donizettis „Liebestrank“ in Freiberg. Seit den damals 15 Zuschauern der ersten Vorstellung etablierte sich eine gut besuchte Reihe. Die „MET Live im Kino“ sorgte vor Corona zuverlässig für ausverkaufte Kinosäle.

Heute spürt man die Nachwehen der Pandemie noch immer, die Zuschauerzahlen haben sich halbiert. Dabei gibt es so viele Gründe für ein Kino-Opern-Erlebnis in Haustürnähe! Aktuelle Welt-Stars der Opernszene, üppige Ausstattungen, faszinierende Technik. Die New Yorker Matinee-Vorstellung wird in Freiberg zum abendlichen Glanzlicht. Ab 19 Uhr startet die Satellitenübertragung. Vorher gibt’s ein Glas Sekt oder Saft zur Begrüßung und eine kurze Einführung durch Thomas Erler. Wer möchte, darf sich schick anziehen, wer es eher sportlich mag – gerne. Wichtiger als das Outfit ist Neugier und Freude am Spektakel. Und das wird einem geboten. Zusätzlich zum Zauber der jeweiligen Aufführung in New York bietet die Live-Reihe verschiedene Kameraperspektiven, Künstler-Interviews in den Pausen und Blicke hinter die Bühne. Für weniger als zwei Prozent der Ausgaben für einen tatsächlichen Trip nach NYC genießen Freiberger die Barcarole unterm Wasserturm.

 

Weitere Termine: 19.10.24 Grounded, 23.11.24 Tosca, 25.1.25 Aida, 15.3.25 Fidelio