Der Freiberger A cappella Kammerchor

Margret Baumgartl und Peter Kubisch

Margret Baumgartl spielt die 1. Violine im Dresdner Barockorchester, Peter Kubisch leitet den Kammerchor

A cappella Kammerchor Freiberg + Solisten

Vier Solisten: Johannes Weinhuber (Bass), Falk Hoffmann (Tenor), David Erler (Altus), Stephanie Kaiser (Sopran)

Peter Kubisch und A cappella Kammerchor Freiberg

Peter Kubisch, der A cappella Kammerchor Freiberg und das Dresdner Barockorchester beim Schlussapplaus

Historisches Kontrafagott

Das historische Kontrafagott macht einen majestätischen Eindruck.

Gib uns Frieden. Als das die h-Moll Messe beschließende Dona nobis pacem verklingt, hält der Dirigent, Peter Kubisch, noch wenige Sekunden die lautlose Spannung, dann tobt eine Welles des Applauses in Richtung Bühne. All die Spannung und das Glück der letzen einhundert Minuten finden ihren Ausdruck in von Herzen kommendem Beifall. Und nur dieser Moment zeugt von einem säkularen Konzertgeschehen. Denn eigentlich wurde eine hohe Messe gefeiert.

Doch von vorn: Der Freiberger A-cappella Kammerchor hatte anlässlich seines 35. Geburtstages zur h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach geladen. Gemeinsam mit drei externen Solisten und dem Dresdner Barockorchester erklomm das Ensemble den Himmel der Barockmusik. Und das ist außergewöhnlich. Mitten im Kernland der Reformation schuf ein protestantischer Kantor eine Erbhuldigungsmesse für einen katholischen König. Friedrich August II. übernahm nach dem Tod August des Starken die Regierungsgeschäfte und reiste 1733 durchs Land, um sich die Treue schwören zu lassen und die mit dem Tod des Königs erloschenen Privilegien neu zu vergeben. Der Thomaskantor Bach komponierte ein opulentes Kyrie und Credo, der neue Kurfürst allerdings saß während des Gottesdienstes in der Leipziger Börse mit Geistigem im Glas statt im Ohr.

Kurz vor seinem Tod 1750 vervollständigte Bach seine einzige komplette Vertonung der katholischen Liturgie, sein letztes großes Vokalwerk. Er arangierte dabei Werke seines Berufslebens neu und vereinte in einem farbenreichen Klangteppich Gregorianik und die Kunst der Fuge, führte tiefe Emotionen und hohe Kunst zusammen und behauptete bei all dem seine Kunstfertigkeit in der religiösen Wortausdeutung. Seit knapp 300 Jahren verführt die h-Moll Messe regelmäßig zum Gebrauch von Superlativen. Nun also erklang sie in der Freiberger Nikolaikirche, einem von der Kirche aufgegebenem Konzertsaal, vor weltlichem Publikum.

Das Kyrie entpuppte sich als spannender Opener, Peter Kubisch legte gleich alle Virtuosität und Dynamik in die dreifache Anrufung. Das Publikum wusste sofort, hier gibt’s keinen Barockbrei sondern ein straffes, klares Programm. Das folgende Christe Eleison in D-Dur kam als Opernduett daher, Stephanie Kaiser (Sopran) und David Erler (Countertenor) ergänzten sich wunderbar, allerdings hatte das Barockorchester zu dem Zeitpunkt noch einige Unsicherheiten ob der eigenen Lautstärke.  

Das Gloria geriet mit Pauken und Trompeten zur tatsächlichen Jubelexpolsion in strahlendem D-Dur. Der fünfstimmige Chor Et in terra pax (Friede auf Erden) sorgte für eine kurze Beruhigung, klang aber nie wie ein Bitten, eher nach machtvoller Beschwörung. Die Lobpreisung Laudamus te gaben Stephanie Kaiser und Margret Baumgartl (1. Violine) im Duett. Das Orchester hielt sich angenehm zurück. An dieser Stelle wird ein Marathon-Preis an Stephanie Kaiser verliehen: Sie sang nicht nur reiche Verzierungen und hohe Lagen in den Soli, sondern unterstützte auch immer dann den Chorsopran, wenn das Ensemble fünf-, sechs- oder achtstimmig sang.

Falk Hoffmann überzeugte als strahlender Tenor, David Erler als extraterrestrischer Counter und der Bayer Johannes Weinhuber als warmer Bassbariton. Die drei Barocktrompeten versprühten festlich Glanz, das historische Kontrafagott machte auch visuell einen majestätischen Eindruck.

Das Credo strahlte aus der Höhe, die komplizierten Übergänge klangen leicht und perfekt.  Immer wenn Bach die Instrumentierung zurücknimmt, entfalteten die Chorstimmen ihre innige Wucht, wie beim Et incarnatus est. Hier sang sich der Chor in absteigenden Moll-Dreiklängen in das Thema der Menschwerdung hinein. Beeindruckend.

Als wirklich coolen Move rückte Peter Kubisch die Männerstimmen beim Sanctus in den Vordergrund und verhinderte damit, dass sich die Triolenketten im Sopran wie Rheintöchter auf Speed anhören.

Zum 35. Geburtstag des A-cappella Kammerchores erklang jubelnde Festmusik, flott und filigran. Mit seinem Dirigat impfte Peter Kubisch das Ensemble mit Freude und beeindruckte mit schwebender Virtuosität. Gratulation!

 Alle Fotos: Elke Hussel